cocos – Corona Component Standards

Konzept

Konzept zur sektorenübergreifenden Standardisierung von COVID-bezogenen Datensammlungen und -zusammenführung für die Optimierung einer zeitnahen wissenschaftlichen Utilisierung (COCOS – COVID-Componenten-Standardisierung)

Entwurfsstand 26. April 2020

Dr. B. Tenckhoff (Kassenärztliche Bundesvereinigung KBV), Dr. K. Heitmann (health innovation hub hih / HL7 Deutschland), Prof. S. Thun (Charité / HL7 Deutschland / Berlin Institute of Health BIH), Prof. U. Sax (AG Interop / Medizininformatik-Initiative), Dr. S. Weber (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information DIMDI, Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte BfArM), Dr. J. Benzler (Robert-Koch-Institut RKI), K. Becker (Bundesverband Gesundheits-IT bvitg), Dr. Ammon (AG Kerndatensatz / Medizininformatik-Initiative)

Scope und Zielstellung

Dieses Konzept ist als Grundlage für die Entwicklung eines konzertierten Vorgehens zur Optimierung von Sammlung, Zusammenführungen und Analysen von COVID bezogenen Daten gedacht. Dabei sollen im Verlauf der Entwicklung folgende Punkte adressiert werden:
  • Identifikation der fachlichen Anforderungen an Forschungsdatensätze zu COVID
  • Standardisierung der COVID-bezogenen Datensätze sowie der technischen Realisierung (Struktur und Semantik)
  • Beratung zu Standardisierung für DiGA-Hersteller, Behandelnden und Forschungseinrichtigungen
  • Governance zur Datensammlung und Datenzusammenführung
  • Anreizsystematiken

Problemstellung

Im Bemühen zur aktuellen Krise rasch konstruktiv, wissenschaftlich fundiert und innovativ beizutragen, entstehen derzeit an vielen Stellen und weitgehend unkoordiniert Initiativen und Anwendungen zur Erfassung von COVID bezogenen Daten (Testverfahren und -ergebnisse, klinische Befunde, Medikation, Verhalten etc). Dabei entstehen, mangels bislang nicht durch die maßgeblichen Stakeholder vorgegeben einheitlichen semantischen und syntaktischen Vorgaben, derzeit viele kleine bis mittlere Datensammlungen, die in sich jeweils konsistent, aber datenkörperübergreifend, überregional oder gar international nicht oder nur schlecht zusammenführbar und / oder analysierbar sind.

Aufgrund der aktuellen Situation ist es jedoch erforderlich, alle verfügbaren Ressourcen effektiv zu bündeln und optimiert zum Einsatz zu bringen, um möglichst rasch grundlegende Erkenntnisse zu gewinnen und wesentliche Trends der COVID-Pandemie erkennen zu können. Dafür benötigt es eine konzertierte Aktion der maßgeblichen Organisationen und Ministerien des Gesundheitswesens und der Forschung, die schrittweise zu einer COVID-Plattform ausgebaut werden soll.

Lösungsansatz

Alle Initiativen zur Corona-Forschung sind zu begrüßen und sollen mit dem vorliegenden Konzept hinsichtlich des gesamtgesellschaftlichen Wirksamkeitspotentials gestärkt und gefördert werden.

Um möglichst rasch zu nutzbaren und qualitätsgesicherten Datengrundlagen (bestenfalls auch datenquellenübergreifend) zu kommen, erscheint es sinnvoll, bereits vorgesehene (und zumindest in Teilen bereits etablierte) Prozesse und Vorgehensweisen situationsbezogen zu beschleunigen. Hierzu gehört als eine wesentliche Grundlage die Etablierung von Vorgehensweisen (Governance) und semantisch und syntaktisch kompatiblen Definitionen von Datenstrukturen und -inhalten sowie Workflows.

Im Fokus stehen hierbei die wissenschaftlichen und epidemiologischen Analysen sowie das Monitoring der Pandemie. Als Grundlagen sollen Forschungsdaten aus der ambulanten und stationären Krankenversorgung, Routinedaten aus der Abrechnung sowie dem Meldewesen, aber auch Sozialdaten und Daten aus Fragebögen und sozialen Medien potentiell nutzbar gemacht werden.

Grundlagen und Anwendungsszenarien

In den kürzlich etablierten Gesetzgrundlagen (TSVG, Infektionsschutzgesetz, PDSG) wurden bereits Eckpunkte für geeignete Vorgehen vom Gesetzgeber vorgesehen und festgelegt. Im TSVG wird z.B. der KBV im Benehmen mit weiteren Institutionen die Definition der semantischen und syntaktischen Interoperabilität von Inhalten der elektronischen Patientenakte übertragen.

Im Infektionsschutzgesetz werden die Kompetenzen des RKI zur elektronischen Infektionsmeldung aus dem Labor und vom Arzt erweitert und im PDSG werden sowohl die Vorgaben der KBV als auch das Interoperabilitätsverzeichnis der gematik als Bezugsgrößen für die Sicherstellung von Interoperabilität für neu entstehende Digitale Gesundheitsanwendungen (DigAs) gesetzt. Zudem wird im PDSG auch die Nutzung der Gesundheitsdaten zu Forschungszwecken perspektivisch avisiert.

Die Forschung nutzt vornehmlich Klinische Studien (Surveillancestudien) und Register (z.B. LEOSS) für neue Erkenntnisse. Diese Daten sollten perspektivisch mit Biomaterialproben und den Daten des Patienten und aus Fragebögen (z.B. PROMS) verknüpfbar sein. Standortübergeifende Vorhaben wie die Medizininformatikinitiative haben schon Vorarbeiten für die Entwicklung von Kerndatensätzen vorangetrieben.

Standardisierung

Um diese Daten national und international austauschbar zu machen, können und sollten internationale IT-Standards des JIC (Joint Initiative Council) soweit möglich und kostenfrei verfügbar für den Datenaustausch genutzt werden. Unter Einbeziehung der Standardisierungsorganisationen und bestehender Kooperationen im Rahmen von nationalen Forschungsprojekten (z.B. Medizininformatikinitiative) können die bereits bestehenden Prozesse genutzt und verstärkt werden, um die Erstellung einer einheitlichen Definitionsgrundlage eines COVID-Kerndatensatzes zu beschleunigen werden. Eine Orientierung an den bereits geleisteten Entwicklungen sollte erfolgen.

Parallel sollte ein Beratungsangebot für Industrie und Forschung entwickelt werden, um entsprechendes KnowHow bereits in der Konzeption / Entwicklung von Vorhaben integrieren zu können. Aufbau einer COVID-forschungsbezogenen Community einschließlich der dafür erforderlichen Infrastruktur.

Mit einem entsprechend koordinierten nationalen Vorgehen kann Deutschland auch innerhalb der Europäischen Union (EOSC, RD-Alliance, Europäisches Studienregister) ein positives Beispiel für die Schaffung von Nutzeneffekten der Digitalisierung kurzfristig aufweisen, das potentiell auch europaweit genutzt werden könnte.

Konkretes Vorgehen und Rahmenbedingungen

Konkret ergeben sich aus den oben benannten Vorüberlegungen folgende Vorschläge für Schritte zur zeitnahen Etablierung von semantischen und syntaktischen Grundlagen für die Erfassung und Zusammenführung von COVID-bezogenen Daten:
  • Konvergenz der klinischen Anforderungen an einen Kerndatensatz und Identifikation der Kernelemente für erfolgreiches standort-, sektoren- und datenkörperübergreifendes Datalinkage.
  • Als syntaktisch einheitliche Vorgabe sollte grundsätzlich HL7 FHIR (Release 4) im aktuellen Entwicklungsstand vorgegeben werden.
  • Als semantische Grundlage sollen die in Deutschland vom BfArM/DIMDI herausgegebenen Klassifikationen und SNOMED, LOINC, UCUM, IDMP genutzt werden. Aus diesen werden fachlich passende Sammlungen von Codes (Value Sets) zusammengestellt.
  • Grundlegende Daten, die zu demographischen Zwecken und / oder Zwecken der eindeutigen Zusammenführbarkeit dienen, sollten verbindlich vorgegeben werden können. Hierzu sollten basierend auf den bereits erledigten Vorarbeiten ein Expertenboard (bestehend aus den beteiligten Organisationen) vorläufige Vorgaben entwickeln, die zunächst ausschließlich für COVID-bezogene Anwendungen eine (temporäre?) Verbindlichkeit entwickeln. Dazu gehören folgende Definitionen, jeweils zum aktuellen Entwicklungsstand (und bezogen auf die jeweils im Zusammenhang beschriebenen FHIR-Ressourcen):
    • Angaben zur Person des Versicherten gemäß eGK (Basisprofil KBV)
    • Angaben zu Person des Behandelnden (Basisprofil KBV)
    • Angaben zur Institution / Praxis (Basisprofil KBV)
    • Angaben zu Laborwerten (Kerndatensatz MII)
    • Angaben zur Medikation (Kerndatensatz MII)
    • Angaben zu Diagnosedaten (Kerndatensatz MII)
    • Angabe zu COVID-spezifischen Angaben bzw. FHIR-Ressourcen (HL7-Deutschland) wie z.B. aus: Questionaires und eMeldungen
  • Weitere spezifische Angaben (z.B. zum Verhalten, Befinden, u.v.a.m.) sollen in Abstimmung mit dem Expertenboard (bestehend aus den am Konzept beteiligten Institutionen) in FHIR abgebildet werden und nach Prüfung und Festlegung durch das Expertenboard jeweils kurzfristig Verbindlichkeit entwickeln können.
  • Ebenso sollten Empfehlungen (Governance) für die Datenerfassung und Zusammenführung von Datensammlungen entwickelt werden, welche einerseits die für die Forschung, erforderlichen Grunddaten und andererseits Konzepte zu Fragestellungen der Epidemiologie und des Monitorings unterstützen.
  • Hierfür können die bereits etablierten Plattformen, wie z.B. die MIO-Plattform der KBV, die COVID-19 Trial Plattform des BMBF/Charité und Registerplattformen genutzt werden.
Das oben beschriebene, analog eines Benehmenherstellungsverfahrens moderierte Expertenboard ergänzt und beschleunigt dabei vorübergehend (und situationsbezogen) den im Gesetz beschriebenen Prozess zur Benehmensherstellung und erlaubt so erheblich schneller die Erzielung einer definitorischen Vorgabe.

Ein offenes, kurzes Kommentierungsverfahren kann im Bedarfsfall das Expertenboard bei der Entwicklung der Definitionen unterstützen.

Daten für die Forschung werden, soweit dies nicht zwingend anders erforderlich ist, ausschließlich in anonymisierter Form zugänglich gemacht.

Je nach gesetzgeberischem Gestaltungswillen können die oben vorgeschlagenen Maßnahmen regulatorischen Charakter oder eher Empfehlungscharakter (ggf. auch zeitlich begrenzt) entfalten.

Zur Umsetzung der oben beschriebenen Aufgaben wird kurzfristig eine gesetzgeberische Auftragszuordnung (z.B. als Aufgabenerweiterung des §355 PDSG) im Rahmen von nationalen Notfallsituationen benötigt.

Förderprogramme sollen in einem einstufigen Verfahren die Konformität prüfen und ggf. bewilligen. Eine entsprechendes Förderprogramm könnte vom BMG/BMBF federführend aufgesetzt und zusammen mit den beteiligten Organisationen umgesetzt und überwacht werden.

Über diese Initiative sollen die Maßnahmenpläne, Diagnostik- und Behandlungsstrategien möglichst aller deutschen Universitätskliniken, aber auch die Daten des niedergelassenen Bereiches und aus DiGAs zusammengeführt und auswertbar gemacht werden.

Für entsprechend konform entwickelte (oder neu zu entwickelnde) Anwendungen sollte kurzfristig ein Förderprogramm ausgeschrieben werden bzw. das Förderprogramm des BMBF Das Nationale Forschungsnetzwerk gegen COVID-19 genutzt werden.

Mögliche Zeitschiene

  • Erste Diskussion des Konzeptes am 7. April 2020 16:00h
  • Finale Aufgaben und Rollenverteilung am 15. April 2020
  • Veröffentlichung der ersten Kern-Basis-Profile (siehe Liste oben) bis zum 30. April 2020
  • Bereitstellung von Governance-Empfehlungen für Datenzusammenführungen bis zum 30. April 2020
  • Hernach: kontinuierliche Ausweitung und Konsoldierung der Spezifikationen

Rollen und Organisation

health innovation hub hih

Kontakt BMG, Beratungsangebote

HL7 Deutschland

Fachliche Koordination technische Standardisierung und internationale Einbindung

Medizininformatik-Initiative

Fachliche Koordination stationärer Bereich, Beratungsangebot Forschung und Kontakt BMBF

Robert-Koch-Institut

Fachliche Koordination epidemiologischer Fragestellungen

Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

Fachliche Koordination Nomenklaturen und Klassifikationen, europäische Einbindung

Charité / Berlin Institute of Health BIH

Fachliche Koordination Forschungsfragen, Beratungsangebote

Kassenärztliche Bundesvereinigung

Fachliche Koordination ambulanter Bereich, Beratungsangebote, Moderation der Boards

Bundesverband Gesundheits-IT

Kontakt Industrie, Beratungsangebote

Vorschläge für Strukturen (Teilnehmer)

Steuerungsgruppe CoCos und Expertenboard Standardisierung

Nächste Schritte

  • Sichtung der fachlichen Vorschläge
  • Sichtung der Vorschläge für standardisierte Datensatzbeschreibungen
  • Abgleich der inhaltlichen und formalen Anforderungen
  • Vorschlag zur Definition von ersten CoCoS-Kernelementen

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